Dienstag, 27. Dezember 2011

im gewiss des uns

als ich dich traf
war die lederhaut
deines herzens
längst gegerbt
die wege deiner
seele so weit
ausgetreten dass
ich mich darin verirrte

heute bin ich
heimisch auf den
trassen deiner
weiten liebe
die mir raum lässt
ich im wir zu sein
ja und nein zu sagen
im gewiss des uns



© Beatrix Brockman

Freitag, 23. Dezember 2011

Donnerstag, 8. Dezember 2011

... und wieder

... und wieder
legte ich im traum
dir eine rose auf
das grab, gelb
so wie sie unsere
mutter liebt

... und wieder
sehe ich wie meine
hand mit deiner
schrift auf leere
seiten schreibt wie
ich mit deinen
füßen barfuß geh

... und find ich
dich auch nicht
im eigenen gesicht
hör deine stimme
nicht, spür ich
doch diese liebe
die über ewigkeiten
uns verbindet

© Beatrix Brockman

Barbara 8.12.1953 - 27.4.2005

Samstag, 5. November 2011

und wir...

und schau ich so
auf meine jahre
so anders als die ihren

dann denk ich
wie mag sie gefühlt
das leben zu verlieren

sechs sommer und
sechs winter lang
mal hoffen und mal bangen

und stets dabei war
schwester angst
die hoffnung könnt nicht langen

kam der april, der
nahm sie mit und wir
wir mussten bleiben

so nass die tränen
schwach der trost
dass sie nicht mehr muss leiden

kam der april, der
nahm sie mit und wir

wir mussten bleiben



© Beatrix Brockman

Sonntag, 23. Oktober 2011

feier.abend

roter abendhimmel
durchwolkt von engelsflügeln

an straßenrändern
kraaken windgebeugt

stromleitungen aus
seelen von bäumen

geschnitzt ins nochblau
fliegen neonschilder

rechts und links vorbei
siebengespurt auf

stadtautobahnen wo
sich frittenrauch mit

abgas paart seite an
seite burgern doughnuts

pizzen sich gebratene
hähnchen und ein edelweiß



© Beatrix Brockman

Mittwoch, 19. Oktober 2011

verlorenes paradeis

höllenringe selbst
gemacht schweigen
extrapoliert
aus der situation
geschlossen
ungefragt angenommen
im kreis der gedanken
gehangen wie gefangen
flucht reflexe ins
nichts angst hölle
selbst gemacht
dante und milton
würden blass vor
neid um dieses
verlorene paradies


© Beatrix Brockman

Samstag, 15. Oktober 2011

könnt ich meine trauer singen

könnt ich meine trauer singen
ich tät's in dur und nicht in moll
dann würden tief in mir die töne klingen,
die niemand sonst noch hören soll
dann würd im takt des herzen schlages
ein tränenmeer in mir entstehn
das morgen nicht, nicht eines tages
das niemand außer mir kann sehn.
drin schwämmen klänge,
die wie fische zögen ihre bahn
denn wenn ich meine trauer sänge
verkläng in mir die tiefe gram.
dann schwäng im klang von kleinen wellen
ein anbranden von tiefem trost
wenn lücken, leeren, narben schwellen
denn täglich leb ich mit verlust




©Beatrix Brockman

Samstag, 24. September 2011

verhallt!

verhallt! verhallt!
die worte schweigen
das echo
der vergangnen
klänge schwingt
nicht mehr

verhallt! verhallt!
die bilder blassen
mit dir zu grabe
ging die imposanz
im raum
und ließ zurück

für mich
das fahle
klangbild deiner
stimme die nie
mir worte
für die seele sprach



©Beatrix Brockman

Sonntag, 18. September 2011

Neues Leben

neues leben
leben gierig saugend
an der mutterbrust
rosahäutig leben
schreiend in die welt

neues leben
sachte schlafend
lächelnd träumend
an der mutterbrust
neues leben lebend

neues leben
weich im arm
neue händchen füßchen
rudern sich in
neues leben


©Beatrix Brockman

Freitag, 9. September 2011

vertane zeit

und es ist ein warten
auf ein morgen
ein warten auf
was noch
nicht
ist

und
es ist
kein heute
weil dies warten
auf ein morgen das
erst noch kommen wird

... das ...
... heute ...
... erstickt ...


© Beatrix Brockman

Freitag, 2. September 2011

Eine Handvoll Schmerz*

doch was, wenn der schmerz
wiegt
so schwer und der hügel

sich unerklimmbar streckt?
wenn sieben jahre später
es noch immer schmerzt

nicht weniger - anders
nur
das verstummen deiner stimme

wenn wie vor einem sommer
sich ein weit'res stumm
zum kanon des schweigens gesellt

und allerorten andere
ihre eigenen schweigechöre hören
die ihre nimmermehrs immerfort

in unsre hände legen -
eine handvoll schmerz nur
die wir immerda

unsere hügel hinauftragen



©Beatrix Brockman

*Eine Handvoll Schmerz verliert sich über den Hügel
aus: Ingeborg Bachmann, "Früher Mittag"

Sonntag, 28. August 2011

und auf einmal...

liest's sich anders
liegt ein schmerz hinter worten
kurz zuvor noch unerahnt

und auf einmal...

bahnt sich trauer ihre wege
über ungesprochene worte
unberührtes herz wie haut

und auf einmal...

stirbt ein wir ... ein du und ich ...
ein er und sie
gebiert ein nimmermehr sich aus dem nichts

und auf einmal...

ist's grotesk: draußen flattern
falter um tomaten und die tanne
die erst gestern alle nadeln von sich warf




(Für ELsa und Günther)

© Beatrix Brockman

Montag, 22. August 2011

Musenkeuschheit

zwischen neuem Job
als Dozent für Deutsch
und haareraufendem
Dissertieren ziert
sich die Muse zur Zeit
und verweigert den
Dichterkuss

 ©Beatrix Brockman

Freitag, 29. Juli 2011

mater amata

im stuhl
die beine hochgelegt
lässt du dir
rosen regnen
die vater
letztjährig noch
gepflanzt

steter begleiter
nurmehr
dein einsam
das von dünnen
leise klagend
lippen träuft

der kopf
weiß wohl
und sagt's dass
kinder eigene
leben leben müssen
herz und seele
aber

waidwund
von der leere
von der stille
fürchten sich
vorm ersten
jahrestag

und jeder
weitren stunde
in der allein
ein herzschlag
durch das schweigen
dringt




© Beatrix Brockman

Samstag, 23. Juli 2011

einem nie gesehenen zum geburtstag

aus dem vollen leben
in die leere gegangen
aufgefangen in der virtualität
von einem
der ungesehen
ein wahres
in einem byte internet
entdeckte und hütete
wie einen schatz


ermutigt
von einem
der unbesehen
zwischen allen zeilen
las und saß
und die fehlende
hoffnung fand
und sie hütete
wie einen schatz

verwöhnt
alljährlich von
einem und seiner lieb
die unbekannt
ein stück heimat
in unbegrenzte möglich
keiten schicken
und sie hüten
wie einen schatz

dem freundschafts
hüter der
die jahre
nicht zählt
doch die minuten
wie die sekunden
schätzt und hütet
wie einen schatz




© Beatrix Brockman

Montag, 4. Juli 2011

im alter

die dinge so langsam ordnen
dem ende entgegen sehn

auf gott und familie bauen

noch lange hier bleiben wollen
letztendlich bereit zu gehn





©Beatrix Brockman

Freitag, 24. Juni 2011

määääh

wirtschaftswundergeneration
ach wie trocken sind diese schäfchen
den lämmchen von heute geht das gras langsam aus




©Beatrix Brockman 

Donnerstag, 23. Juni 2011

28er - eine schöne Erfindung

Der Dreizeiler mit dem Namen „Achtundzwanziger“

Ein Achtundzwanziger ist ein Dreizeiler wie ein Haiku oder ein Senryu. Er hat aber nicht nur siebzehn Silben wie diese Gedichtformen, sondern achtundzwanzig Silben, was mehr Freiheit der Gestaltung zulässt. Das Schema ist dabei nicht wie beim Haiku 5 - 7 - 5 Silben, sondern 8 - 9 - 11 Silben. Der Achtundzwanziger ist auch nicht inhaltlich festgelegt auf Natur (wie der Haiku) oder auf Persönliches (wie der Senryu). Das lässt vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten zu, ohne auf die Festlegung auf Silbenlängen der Zeilen und so eine straffe Führung bei der Erstellung des Textes zu verzichten. Die Gedichtform des Achtundzwanzigers wurde von Helmut Maier, entwickelt. Beispiele sind auf dem Blog Maier-Lyrik ( http://www.maier-lyrik.de/blog ) unter der Kategorie „Deutsche Dreizeiler“ ( http://www.maierlyrik.de/blog/category/deutsche-dreizeiler/ ) zu finden.

und weil mir das so gut gefällt, werde ich nun eine solche Kategorie einführen und hin und wieder mir einen 28er aus den Tasten fließen lassen.

Dienstag, 21. Juni 2011

Dukatengold

samtgeborgen
einer dick
und gold wie butter
selten nur
am finger
dessen sinn
der nichtträger
aber stets
im herzen trug

der andre nun
schon abgewetzt
papierdünn
zertragen den
treueschwur
der rechten hand
jahrzehntelang
nach außen
stets gezeigt

nun ruhen
nebeneinander
sie im samt
der eine finger
ist nicht mehr
der andere von
arbeit so verkrümmt
dass schon lang
ihn nicht dukaten
gold verziert





©Beatrix Brockman

Samstag, 16. April 2011

Frühlingsperspektive

Klöppelt der April
Bunte Farben in
Grüne Spitzen

Köhlern schwarze
Gedanken mir
Pessimismus ins Auge

Nur herbstlich
Winterlich nach vorn
Zu schauen, was

Für eine
Frühlingsperspektive



© Beatrix Brockman

Donnerstag, 7. April 2011

du

trägst mich
tanzt mich
wiegst mich
liebst mich
weinst mich
greinst mich
schwingst mich
swingst mich
hebst mich
lebst mich
vibrierst mich
genierst mich
umarmst mich
umgarnst mich
bedröhnst mich
kokonst mich
musik musik


 ©Beatrix Brockman

Donnerstag, 31. März 2011

Stilleben

sanft in sand
gebettet teetasse
zerbrochen vereinzelt
mahjongsteine
lachender buddha
verblassende fotos
brieftasche intakt

im hintergrund lautsprecher
heißes bad
kostenlos in Kamaishi



©Beatrix Brockman

Montag, 28. März 2011

kurz eins

lichtet chaos
sich im kopf
können hände
wieder ordnen
aus der starre
tanzen beine
zur musik die
dröhnt swingen
hüften fröhlich
mit und das
draußen und
das drinnen
sind kurz eins



 © Beatrix Brockman

Montag, 21. März 2011

was wäre ich

was wäre ich
wenn ich nicht auch
über die liebe schriebe

auch wenn
so mancher staunt
und manchmal raunt
wie kann sie

nach so langer zeit
mit diesem mann zu zweit
noch über liebe schreiben

ohne herz auf schmerz zu reimen?



© Beatrix Brockman

Sonntag, 13. März 2011

fukushima

ver-cernobyl-t
unser heute

be-sorgt
es neue

ein-sichten
oder wird es

morgen dort
auch

strahlendes
wetter geben



 © Beatrix Brockman

Dienstag, 1. März 2011

klischeedicht

nachts sind alle katzen grau
und wenn der spatz aus der
hand die taube auf dem dach
wie ein stier bei den hörnern
packt und vögelt und sich dabei
diebisch freut wie eine elster
muss er sich nicht wundern
wenn er am morgen verkatert
erwacht und sie grauend wie
gurrend und ohne viel
federlesens vor die hunde geht
kukuruku blut ist im schuh



© Beatrix Brockman

Mittwoch, 16. Februar 2011

chinook

am himmel
der blau
kreist ein
chinook
manoever
für afghanistan

im radio
reden sie von
decken für
den guten
zweck
afghans for afghans

die einen
sagen selber
schuld, was wirst
du auch soldat
die anderen
machen den job

der zu kriegen
war damit
brot auf den
tisch kommt
und die kinder
mal zum arzt



© Beatrix Brockman

Montag, 7. Februar 2011

wortstrom

steter wortstrom
ergießt sich hinter
stirn und schläfen

formuliert sich
und verliert sich
formuliert sich wieder

kommt selten
doch nur zu papier
ist ein impuls

ein zwang ein muss
aufs pergament
im kopf zu schreiben

vielleicht wird einst
mein schädel ausgestellt
weil die graffiti drin

die höhlen
malerei
so lyrisch wirkt



©Beatrix Brockman

Donnerstag, 3. Februar 2011

Phrasendreschen

phrasendreschen
vom erfüllten leben
lang wars auch

wen soll das
schützen vor
dem schmerz

und was
entschuldigen?
die lücke bleibt

und mit ihr
dein fehlen
wie das bild

von großen
dunklen augen
aus denen

mich
dein tod
schon schaute




© Beatrix Brockman

Donnerstag, 13. Januar 2011

und dann

summtest du
ein lied
so schräg und
dissonant
dass sich
mein herz
mit liebe
füllte

©  Beatrix Brockman

Dienstag, 4. Januar 2011

RIP Eva Strittmatter

Gestern starb die Dichterin Eva Strittmatter, die ich sehr verehre! Es macht mich doch sehr betroffen!

Zuspruch. Mir.

Mit kleinen Schritten, gemessen, gemessen,
Die Strecke Weges, die schwierig ist, gehn.
Das Schöne erinnern, das Schlechte vergessen.
Und schweigend die Zeichen der Hoffnung verstehn

Denn ohnedem ists nicht: die Graugänse schreien.
Im Finsteren Tausende auf ihrem Zug
Verliern das Gesetz nicht, sich schützend zu reihen.
Und führen die Hoffnung mit sich im Flug.

Eva Strittmatter