Sonntag, 24. Juni 2018

Ujjayi-Atem

Das Meer hat mich schon immer angezogen. Nichts Schöneres gibt es für mich, als darauf zu schauen und der Brandung zu lauschen. Obwohl es das Element des Wassers ist, erdet es mich. Gerade sind wir zum zweiten Mal in diesem Jahr an der Golfküste. Haben 10 Stunden Autofahrt in 2 Autos mit 6 Personen auf uns genommen. Das hatte mich erst davon abhalten wollen. Nun bin hier. Und bereue es nicht.

Im März waren die Strände noch verschlafen, nicht menschenleer, aber geräumig und morgens spurenlos weiß. Jetzt ist Saison. Ich wusste, was das heißt. Menschenscharen um Menschenscharen. Sie stören mich nicht. Jeder geht seinem Tag nach. Man bräunt sich einen Krebs in die Haut. Man schwimmt, spielt Ball, Mütter wiegen ihre Kinder in sanften Wellen.

Ich genieße Strand und Meer in den Morgenstunden, wenn die Sonne noch nicht brennt und das Brechen der Wellen nicht von Geschrei übertönt wird. Wird es mir zu heiß und zu laut, ziehe ich mich auf den Balkon mit Meeresblick zurück, der den Klang des Ozeans für mich bündelt und dessen Höhe die Stimmen mir fremder Menschen mildert.

Fast kann ich die Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit des 21sten Jahrhunderts hinter mir lassen und mich mit geschlossenem Augen dem Ujjayi-Atem hingeben. Wären da nicht die Hubschrauber, die im 10-Minuten-Takt Touristen mit Höllenlärm über den Strand fliegen und das Boot, das vor uns kreuzt, mit einem 8 x 10 m großen Bildschirm, der penetrant blinkend, Werbung für Bars, Restaurants und Veranstaltungen macht. Zum Glück noch ohne Sound...


©beatrix brockman