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Donnerstag, 14. November 2019

Berlin am Morgen

noch dämmerts kaum
durch den porzellanfilter
läuft kaffee draußen kolkt
schon ein rabe drinnen
knarren dielen unter nackten
füßen & der regelmäßige
atem aus dem nebenzimmer
friedet mein herz

auch der muezzin vom band
in der wohnung unter mir
gehört zum klangbild
dieses morgens
er ist gut

©beatrix brockman

Dienstag, 5. November 2019

Herbstdank

wie schön es altert
das laub an baum
und busch. so voller
licht und farben
seine letzen tage. als
wollte es der sonne
danken für
wurzelwarmen
wintertrotz
unter kahlen ästen


© beatrix brockman

Sonntag, 27. Oktober 2019

sonntagabend

dunkelblau der himmel
über berlin. vereinzelt
lichter in der miet
kaserne gegenüber
ein bücherregal hier
dort näht eine Frau
einsam ein bademantel
an einer zimmertür
am rand der nacht
klagt fahl ein säugling


© beatrix brockman

Donnerstag, 24. Oktober 2019

berlin reality

böden erden: reality 
check nannte ich
früher gedichte
darüber. auch berlin
liefert realität tag um
tag. im archiv tauche
ich ein, in eine andere—
meiner so oft so ähnlich.
vergesse drin die zeit
zerrinnt zwischen
bleistift und fingern;
bald, so bald, wieder
rote erde unter den füßen
reality check andernorts.
dann wird berlin wieder
traum sein so im danach
wie in den monaten davor


© beatrix brockman

Mittwoch, 23. Oktober 2019

fahrrad for future

nicht nur freitags
großstadtwandern
und (be)wundern
der fahrradfahrenden
massenbewegung
die so nachhaltig ihre
kleinsten hinter sich
oder vor sich befördern
sehe (nur ich?)
kleine münder,
nasen und lungen
aug in aug mit
auspuffrohren?
fahrrad for future


©beatrix brockman

Dienstag, 22. Oktober 2019

Lost Soul

Du wühlst im Rucksack.
Es ist Zeit das tägliche
Fasten zu brechen. In
einem Garderobenschrank
klingelt aufdringlich
wieder und wieder
ein Telefon und du fragst
dich, während du nach
dem Löffel angelst, welche
Seele es wohl so nach
einer anderen drängt.


©beatrix brockman

Freitag, 18. Oktober 2019

Unser täglich Wort gib uns heute

Bald wird ein Traum sie
Sein die Zeit in den Gedichten
Wo Wortkaleidoskope, die
Zum Lied sich richten,
Täglich mich entführen in
Ein Land und in die Zeit
Als ich kaum etwas gewusst
Von ihr und endlos weit
Entfernt von Lyrik unbewusst
wie Eva Este lebte. Nein,
Ich kannte nicht die Orte,
Die ihr Heimat warn, Refugium.
Nein ich reimte keine Worte,
keine Lieder fürs Elysium.
Täglich tauch ich tief in ihre Welt,
Les‘ Vergilbtes, Blatt für Blatt,
Vergess alles um mich, denn nichts zählt
Als was sie einst geschrieben hat
Mit Hand oder Maschine: Wortgirlanden,
Geschöpft aus Luthers Schatz.
Und Reime? Im Enjambement fanden
Die sich ein, am rechten Platz.

©beatrix brockman

angstkaskade

eigentlich geht es mir
so richtig gut, eigentlich,
bin ich so voller lebensgier.
drum kann und will ich
nicht klagen. will sagen:

ja eigentlich stimmt
alles so lange, bis er
mir die ruhe nimmt,
der wortfunke, der
zu faden angstkaskaden 

führt, bei denen man es
spürt im halse klopfen
und das einzige was
hilft ist hinunterstopfen
der angst mit kauen oder schauen


©beatrix brockman

Dienstag, 15. Oktober 2019

unsichtbar

nie hab ich mich geliebt
war dick obwohl dünn
schön war ich schon
gar nicht wie mutter oder
schwestern. suchte
nach dem blick der männer
als läge darin mein wahr:
mich hab ich nie geliebt
und heute: wandre ich
unsichtbar durch meine welt
wie alle alten frauen
die niemand wahr nimmt



©beatrix brockman

ist keine heimat mehr

liegt am grab
der stein
ich sah ihn nie
nur die geflammten
begräbnisrosen

heimat war in ihr
verortet
doch begriffen
hab ich das erst
im leeren haus

vom vater stein
auf stein selbst
gebaut, von der
mutter mit leben
(und einsamkeit)
gefüllt

jetzt ist keine
heimat mehr
für kindersehnsüchte
die mir schon
lange nicht mehr

schmecken


© beatrix brockman

keinen Euro

ich muss es in die himmel schreien
es ist ein wunder geschehn
der lahme von heute morgen
kann ganz ohne krücken gehn

© beatrix brockman

Donnerstag, 3. Oktober 2019

Aimliú

Aimliú

Betreten vor mir auf dem Grund
des Pfads sind Ahornblätter. 
Stürmisch war das Wetter
das ihre Pracht verdarb. So Bunt

warn ihre Kleider in sattem Rot,
in goldnem Gelb voll Freude auf 
den Lichtertanz im Sonnenlauf
dem stärksten Aufgebot

des Herbsts.  Vorbei der schöne 
Schein. Das Chlorophyll vergeht 
in Sand und Erde auf dem Weg
kein letzter Auftritt auf der Bühne,

eh der Oktober, wo ein Tag dem andern gleicht,
dem tristen Grau des nächstes Monats weicht.
Noch sind die Ahornblätter auf dem Grund
eh sie vergehen, ein paar Stunden bunt.



© beatrix brockman


Aimliú:  irisches Wort für etwas, dass durch das Wetter verdorben wurde. 

Montag, 30. September 2019

letzter september tag

über eichen und buchen
blätter stapfe ich durch
einen bunten regenschirmwald
wind und regen entgegen
staemmend über spree und
geschichtsgrenzen ins sütterlin
einer längst vergangenen lyrik

©beatrix brockman

Mittwoch, 25. September 2019

Blatt für Blatt

Langsam ästet
Sich die Buche
Vorm Archiv
Aus ihrem Sommerkleid

Blatt für Blatt
Auch ich
Hinter dem Fenster

Ihr schüttelt
Der Wind
Die Last von
Der Rinde

Meine Blätterberge
Wachsen von
Links nach rechts

Sie wird sich
Im nächsten Jahr
Neu bekleiden
Vor diesem Fenster hier

Ich werde
Wer-weiß-schon-wo
Sein

© beatrix brockman


lebensraum

ich lebe mein leben
in schwindenden ringen.
bin ich voll da
für die, die ich lehre,
sehnt sich danach
das herz nach der leere,
nach stille, nach raum
für holz, für papier,
für fasern und andre krea.triebe
und vor allem und immer
und immer mehr für den,
den ich so lange liebe

© beatrix brockman

lament

es ist schwer
sich zu orientieren
in einer stadt
die deine nie war

die lebt
die pulsiert
in einen rhythmus
der deiner nie wird

an orten, wo mal streng,
mal animalisch, lieblich
nie - unausweichlich stets -
dich gerüche überfallen

wo menschen um bettelnde
holzkrücken durch straßen
lemmingen und mittendrin
du

dich mühst, das ziel aus den augen nicht zu verlieren

und dich sehnst
nach dem menschenort, der heimat einmal war
und dich überrascht das sehnen nach dem fernen ort,
der heimat nun für deine kindes.kinder ist

es ist schwer sich zu orientieren
in einer stadt, die deine nie war
in einem land, das deines
nicht mehr ist

Dienstag, 24. September 2019

worte

vom wortleer zum wortmeer
losgelöst im strom der silben
stummheit hinter sich gelassen
und ängsten die stirn geboten
den frühlingsatem tief eingesogen
schreiben sich verse wieder
in das pergament der tage

© beatrix brockman