Dienstag, 20. Dezember 2016

entschleunigt

einfach suchen nach
dem immer nach dem
grün im herzen nach
dem roten kerzenschein

einfach sie entzünden
diese flamme aus der
kindheit die die seele
herzt und spürt

einfach aus dem selbst den
funken und ein licht
der hoffnung nähren
eine hoffnung auf die zeit

in der wir selbst die
zeiger und die uhren
und die eigne welt ins
langsam dreh'n

©beatrix brockman

Freitag, 16. Dezember 2016

adventsreminiszenz



und so spinn' ich mir aus kindheitsfaser
violett in den dezember — zwirn hinein

den klang der stimme, die mir lieder sang,
füg hinzu den kammzug mit dem duft
von koriander, kardamom und zimt, von
äpfeln in der röhre, von gebäck auf heißem blech

— und so dreht sich meine spule auf
dem spinnrad und mit ihr ein faden
in dem ein hauch von gestern lebt

© beatrix brockman

Donnerstag, 15. Dezember 2016

adventus domini



"gegrüsset seiest du maria"
so sang ich einst als kind
und verkündete als engel
der gottesmutter ihren sohn

im kreise von fünf kindern
musizierten wir durch den advent
und naschten heimlich teig
wenn wir mit mutter buken

adventus domini, ankunft
des herrn — einst fastenzeit,
wunderschöne Kindheit
erinnerungen im herz

und heute, wenn die vierte kerze
brennt, hat uns die werbungs
maschinerie weihnachten
schon längst vergällt und wartet

kaum bis zum hochfest bis sie die
diätmaschine in gang schmeißt.
— von besinnung auf uns selbst in
dieser oder jener hinsicht

keine spur!

Mittwoch, 7. Dezember 2016

Barbaratag

Mein Barbaratag

der achte tag
des zwölften monats
das ist [i]mein[/i]
barbaratag

der tag an
dem ich kerzen
brenne dir
zu ehren die du

meine schwester
bist und warst
— heute würden
wir dich feiern

wenn ich nicht hier
und du noch dort
dein leben lebtest.
doch kam und wurde

alles anders und
das was blieb das ist
mein barbaratag
am achten tag

des zwölften monats
eines jeden jahrs an
an dem ich eine kerze
brenne nur für dich


© beatrix brockman

Samstag, 22. Oktober 2016

eigentlich

eigentlich, hätte man es wissen müssen
eigentlich, hätte man es sehen können
eigentlich, hätte man sich glauben müssen
eigentlich, stand das menetekel an der wand

doch wiegte das das-wird-schon-wieder
die seele in friedenheit,  verblendete die augen
und stopfte die angst tief zurück in den bauch


© beatrix brockman

Samstag, 3. September 2016

noch immer

wie der panther im
jardin des plantes
kreis ich träge hinter
stäben meiner trauer

als läg in diesem
einen tod von dieser
eine toten eine trauer
auch um andere

jene trauer auch,
in der sie lebte
und die sie niemals
überwand. als gäb's

für sie / für mich
den trost nicht, der
die lücke schlösse
den graben brückte

als läg die halbwertzeit
der trauer, die uns
bindet, erst in allen
tagen nach dem tod

© beatrix brockman

Freitag, 26. August 2016

tages(nicht)ablauf



nach dem laufen
nach dem blick
auf die uhr fest

gestellt, gute zeit
zum anrufen
dennoch nicht

mit mutter telefoniert
ihr nicht gesagt
dass der hund

nach dessen
medikamenten
ich griff

fehlt und ich nur
den anderen
füttern musste

© beatrix brockman

Donnerstag, 18. August 2016

immer wieder immer

immer wieder immer
unerwartet schieben
sich bilder, szenen,
stimmen in das hier-
und-jetzt —legen
das nimmermehr ins
auge, bis es mir von
den wangen tropft

© beatrix brockman

Montag, 15. August 2016

rot-geflammte rosen küssten dein antlitz

deine lippen schwiegen
doch zum gebet gefaltet
waren deine hände
dort vor dem altar
von sankt marien

rot-geflammte rosen
küssten dein antlitz
unter der hellen birke
als deine knospe sich
für ewig schloss

wir feierten dein
schnörkelloses leben
im dienst der liebe
zu deinen nächsten
und standen doch

schmerzgebeugt vor
deinem sarg. "du hast
dich einfach davongemacht"
flüstertest du einmal
an vaters grab und ich

spreche dir die worte
nach, während ich dich
hand in hand mit ihm
durch die unendlichkeit
schlendern sehe

© beatrix brockman

Donnerstag, 4. August 2016

Heute

Heute wurden die Himmel weit.
Ein Mutterherz hat die Hände
nach getanem Lebenswerk
in den Schoß gelegt, und
ihre Seele flügelt voller Freude
mit weit-gebreiteten Schwingen
in großen Höhen durch ihre Tore.


©Beatrix Brockman

Mittwoch, 27. Juli 2016

ahnen

liegt ein ahnen
und ein fürchten
wo der atem auf
den herzschlag trifft

winden sich gedanken
um ein hoffen, um die
ängste, um ein ob-
es-unvermeidlich-ist

liegt ein zagen
vor dem dunkel
vor dem morgen
nach der nacht

© beatrix brockman

Herzenszyklon

und dann rauschen
sie durch dich durch dich
die ängste der mutter

fürchtest du für sie
das was da kommst
möchtest du schützend

die hand über sie halten
wünschtest du könntest
sie auf händen tragen

und ihr ersparen
den verlust von würde
und dem selbstbestimmt


© beatrix brockman

Mittwoch, 13. Juli 2016

im gehen

abschied drückt sich
in die ecken dieser letzten
tage. wochen, die sich so
lasziv vor uns geräkelt
kehren uns den rücken zu.
gar lächerlich scheinen
jetzt die vielen abschiede
in denen endlichkeit wir
schmeckten — nun da ein neuer
dunkel wieder vor uns schwebt

© beatrix brockman

heilige dreifaltigkeit

seitdem ich denken kann
schlägt dieser glockenturm
zur halben und zur vollen
stunde, egal auf welchem
kontinent ich bin. heuer
ver.schlägt er mich in kindheits
tage, in zeiten als man uhrlos
und ohne hosentaschentelefonie
zur rechten zeit zum abendbrot
erscheinen musste. mein turm
ist er zwar nicht, denn luther
ist mir fern. doch ist er nachbar
mir und wird's in meinem herzen
immer sein - zur vollen und zur
halben stunde, egal auf welchem
kontinent ich bin.

© beatrix brockman

Dienstag, 8. März 2016

lacklos

eigentlich dachte ich
das haus sei aus
vermörtelten steinen
oder so solide wie
eingerastete legosteine
doch nachdem er
hineingetreten hatte
fiel es in sich zusammen
nun zeigt sich das lose
zusammen der klötze
im gerümpelten haufen
und auch der lack
ist irgendwie ab


©beatrix brockman

Sonntag, 28. Februar 2016

Selbst wenn

Selbst wenn
ich diesen
Moment in
Streifen risse
und mir ins
Haar wände

selbst wenn
ich deine Küsse
in Seide wickelte
und zwischen
Nerudas Worten
trocknete

selbst wenn ich
die Schmetterlinge
auf Nadeln rahmte
selbst dann währte
dieser Augenblick
nur seine Ewigkeit


©beatrix brockman (2010)

For as long

For as long
as your voice
can hold this

power over me
As long as
the words you

craft can move
my heart
For as long

as I can rest
in the imagined
that will never be

I can believe
in that which
hasn't been



© Beatrix Brockman

wach.nacht

wie rilkes panter
kreist mein geist
hinter diesen stäben
einer wachen nacht
zu müde um die
dunkle tür zu öffnen
doch gierig darauf mit
den zähnen schlafes
fleisch zu reißen

© Beatrix Brockman (2010)

Sincerely, from Tennessee


Wieder Sonntag, wieder
auf der Landstraße zwischen
Nord und Süd, wieder
das Sonnendach offen
Drinnen dröhnt Cohen

diese unerfüllbare Sehnsucht
nach der perfekten Liebe
dem Auf-Händen-Getragen-
Werden in Ohr und Herz
Draußen fliegen links

Nobelvillen mit BMW
Hummer und Mercedes
vorbei, rechts die arm
seligen Hütten mit Rost-
lauben davor. Alle

drei Meilen oder so
eine Kirche, deren
Marquees dazu aufrufen
Gott zu danken und den
Sonn(en)tag als Geschenk

anzunehmen (that's why
it's called the present)
In Nashville erwartet mich
schon der Blimp über
dem Footballstadion und

während ich die Treppen zum
Condo hochgehe, kündet
Kanonendonner vom
Touchdown. Davon
unberührt fließt der

Cumberland weiter an
meinem Balkon vorbei
und ich genieße den
Blick aufs Wasser dank
herbstlich entblätterter Bäume

deren Laubkleid sich nur noch
in Fetzen an die Äste klammert.
Und aus dem Wohnzimmer
dröhnt mir wieder Cohen
diese Sehnsucht nach dem

Unbeschreiblichen ins Herz
bejubelt von tausenden
Footballfans nur fünfhundert
Meter weiter überm Fluss.


© beatrix brockman (2009)

Bitter.Brot



Unser tägliches Brot gib uns heute. 
Und vergib uns unsere Schuld, 
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.

Doch ich vergeb’
mir nicht
den Mangel
zwischen Werden
und dem Sein. Stet
ist das Streben nach
der Unerreichbaren
nach der Frucht
auf höchstem Ast -
Vollkommenheit.

Im Traum blut
rote Rose erwacht
als graue Distel nur

ess täglich ich
das bittre Brot
gesäuert mit Versagen.
Den andren
wie dem Selbst
halt ich die Wange
hin zu stillen
meinen Durst
nach Blau

Will Brunnen mir
und Himmel sein –
bin doch nur das
was sich in einer
Pfütze spiegelt



© beatrix brockman (2009)

un.sicht.bar

wuchern pfunde un-gefragt
das un-beschwert vernichtend
wird aus dem schön ein un-
sichtbar ein un-geseh'nes
wesen - ach, Portia, lass
doch un-maskiert Shylock
seines amtes walten



©beatrix brockman (2009)

Samstag, 20. Februar 2016

gestohlen geblieben

sie klingen hohl
die worte des lobs
und der anerkennung

obwohl sie von herzen
gesprochen und redlich
verdient, trübt das bitter

nach janusköpfigem verrat
ihre süße schwere und
schwert den leichtfuß

der nun eigentlich befreit
durch flure tanzen sollte.


© beatrix brockman

Freitag, 19. Februar 2016

jeder tag ist uns reisig

die dreißig monats marke
hätte er in beziehungen
nie über winden können
sagte der ledige im fernsehen

alte ehepaare wären doch
nur aneinander erloschen —

dieser meilenstein ist wohl
unbemerkt an uns vorbei
gezogen während lachen
und zärtlichkeiten uns mal

auf großer mal auf kleiner
flamme nährten. auf deinem

grabstein werde ich deinen witz
loben, für den ich dir immer
übersetzer war, und dein
unauslöschliches begehren

jeder tag ist uns reisig — die
liebe unser feuerstein



©beatrix brockman

Samstag, 13. Februar 2016

Hakawati

eigentlich war
es immer als schlüge
sie ein gutes buch auf
als käme sie heim
auf einen hof der ruhe

der ihr das leben
in der fremde versüßte
ihren geist zur ruhe
und zum blühen brachte!
doch abermals

hatte ein federtier am zaun
gescharrt und schon
zum zweiten mal
gekräht — ihr
blieb nur die frage

nach der zahl
der verbleibenden
silberstücke wenn sodann
zum dritten male
das falsetto erklänge

 © beatrix brockman